Lymphologischer
Informationsdienst
rainer h. kraus

Dynamische Kompressionstherapie
und Selbstbehandlung von Lymphödemen, Lipödemen und venösen Ödemen

Vorbemerkung: Statt der in der medizinischen Literatur verwendeten Wortungetüme „Intermittierende Pneumatische Kompressionstherapie“ (IPK) bzw. „Apparative Intermittierende Kompressionstherapie“ (AIK) schlagen wir vor, zukünftig die griffigere, aber ebenso korrekte Bezeichnung „Dynamische Kompressionstherapie“ zu verwenden.

Lympha Press Hosenmanschette
Lympha Press Hosenmanschette, www.villa-sana.com

Seit über 30 Jahren gibt es in Deutschland zur Entstauungsbehandlung die Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK), auch Apparative Intermittierende Kompression (AIK) genannt. Es ist sehr viel Widersprüchliches und Unsinniges über diese Therapie geredet und geschrieben worden. Deshalb soll an dieser Stelle als erstes klargestellt werden: Die IPK ist keine wie auch immer geartete Lymphdrainage!

Wenn Sie in Google „apparative Lymphdrainage“ eingeben, erhalten Sie über 5800 Suchergebnisse. Da bieten nicht nur Firmen zweifelhafte Geräte zur „apparativen Lymphdrainage“ an, auch zahlreiche Ärzte, Kliniken und Physiotherapeuten versuchen derartige Behandlungen den Patienten zu verkaufen.

Weil die IPK keine „Lymphdrainage“ ist, kann sie auch nicht – wie manche Schulen für Manuelle Lymphdrainage (MLD) fälschlicherweise behaupten – den Lymphtherapeuten „die Arbeit wegnehmen“. Ganz im Gegenteil, die IPK kann die Wirkung der MLD in idealer Weise ergänzen.

Es wird auch immer wieder davor gewarnt, dass die IPK schädlich ist, etwa indem man sie für Lymphödeme am Genitale oder für Gewebeverhärtungen, sogenannte Fibrosen verantwortlich macht. Diese entstehen nur in den Fällen, wo die IPK falsch eingesetzt wird. Das ist der Fall, wenn Beinmanschetten benutzt werden und der Lymphabfluss im Becken- und Bauchbereich blockiert oder stark behindert ist. Dadurch kann die in den Beinen mobilisierte Ödemflüssigkeit nicht weitertransportiert werden und staut in die Bauchhaut und das Genitale zurück. Diese Probleme sehen wir z.B. bei Frauen nach Unterleibskrebsbehandlung und operativer Entfernung von Lymphknoten in Becken- und/oder Bauchbereich und besonders, wenn diese zusätzlich bestrahlt wurden.

Richtig verordnet und eingesetzt ist die IPK eine durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesene, sehr wirksame Therapieform, die Patienten bei chronischen Lymphödemen und insbesondere mit Lipödemen und bei venösen Ödemen als Folge von Krampfaderleiden oder nach Thrombose, auch mit offenen Beinen einen großen Nutzen bringt und den Krankenkassen viel Geld sparen kann. Viele wissen immer noch nicht, dass Vertragsärzte („Kassenärzte“) IPK-Heimgeräte auf Rezept zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnen können.


Zur Geschichte und zu den technischen Daten der IPK

Bei der IPK werden Manschetten um die zu behandelnden Extremitäten bzw. Abschnitte des Rumpfes gelegt. Die Manschetten werden rhythmisch – „intermittierend“ – mit Luft gefüllt und anschließend wieder entleert. Bereits 1834 wurde eine „Saug- und Treibpumpe“ zur „Verminderung des Volumens der Glieder“ beschrieben. In den 1960er Jahren kamen dann gewerblich hergestellte Geräte mit Druck-Manschetten auf den Markt, die nur eine einzige Luftkammer hatten. Nach und nach wurden Manschetten mit mehreren Luftkammern entwickelt. Der heutige Standard für lymphologische Behandlungen setzt 12 unabhängige – jedoch unbedingt sich überlappende – Luftkammern pro Manschette bzw. Körperseite voraus. Lediglich zur Behandlung von venösen Erkrankungen sowie zur Thromboseprophylaxe können Manschetten mit weniger, meist sind es vier Kammern, eingesetzt werden.

Allen diesen Geräten gemeinsam ist, dass zuerst die körperfernste Luftkammer gefüllt wird, d.h. die Kammer am Fuß bzw. an der Hand. Danach folgt die zum Körper hin nächste Kammer, anschließend die dritte ... bis schließlich sämtliche Kammern aufgeblasen sind („sequentieller Druckaufbau“). Dann wird aus allen Kammern die Luft abgelassen und der Rhythmus beginnt nach einer kurzen Pause aufs Neue.

Wichtig ist ein effektiver Druckzyklus. Damit ist gemeint, dass ein einzelner Durchgang nicht zu lange andauern darf. Mehr als eine Minute sollte dieser nicht anhalten, da ansonsten der Druck in der körperfernsten Kammer zu lange besteht und evtl. Schmerzen verursachen könnte. Zudem sollten möglichst viele Druckdurchgänge in der Behandlungszeit erfolgen. Das bewirkt eine Wechseldruck-Kompression, die sowohl zur Entstauung von akuten als auch von chronischen Ödemen eingesetzt werden kann.


Einsatzgebiete für die IPK

Lipödem: Der Lymphabfluss ist beim Lipödem nicht unterbrochen. Untersuchungen mittels Lymphszintigraphie haben gezeigt, dass beim Lipödem die Lymphgefäßaktivität sogar gesteigert ist. Deshalb ist der Einsatz der IPK problemlos, weil der Lymphabfluss nicht extra angeregt werden muss und somit die Geräte ohne zusätzliche MLD eingesetzt werden können. Das Ödem ist im Unterhautfettgewebe lokalisiert und verursacht in der Regel eine Druckempfindlichkeit und Druckschmerzhaftigkeit des Fettgewebes. Aus diesem Grunde sollte der Kompressionsdruck der Geräte in Abhängigkeit von den Schmerzen zu Beginn der Behandlung niedrig gewählt werden. Für einen langanhaltenden Therapieerfolg ist in der Regel zusätzlich das Tragen von flachgestrickten Kompressionstrümpfen erforderlich.

Primäre Lymphödeme: Die Ursache dieser Lymphödeme ist in der Regel ein von Geburt an nicht normal ausgebildetes Lymphgefäßsystem (Dysplasie der Gefäße). In selteneren Fällen sind die Lymphknoten vermindert in der Zahl oder fehlen regional (Hypoplasie oder Aplasie der Lymphknoten). Deshalb sind die Lymphödeme an Armen und Beinen meistens körperfern am stärksten ausgeprägt und der zentrale Lymphabfluss nur in den seltenen Fällen beeinträchtigt. Die Standardtherapie ist die KPE. Bei starken Lymphödemen kann der zusätzliche Einsatz der IPK die Therapie unterstützen und sogar die Intensität der MLD verringern.

Sekundäre Lymphödeme: Bei diesen Lymphödemen kommt die IPK nur in einzelnen Fällen zum Einsatz und erfordert eine differenzierte Betrachtung des Lymphabflusses in Abhängigkeit von den operativen oder strahlentherapeutischen Schädigungen des Lymphabflusses. Deshalb sollte die Verordnung nur durch einen lymphologisch erfahrenen Arzt erfolgen.

Lip-Lymphödeme:
Diese kombinierte Ödemkrankheit kann sich aus dem Lipödem entwickeln, wenn es im Krankheitsverlauf nach Jahren zu einer zusätzlichen Schädigung des Lymphabflusses kommt. In der Regel sind es Lipödeme der Beine, aus denen sich ein Lip-Lymphödem entwickelt, erkennbar an einer Ödemzunahme besonders im Unterschenkel, Knöchel und Fußbereich beider Beine. Begünstigt werden Lip-Lymphödeme durch eine Gewichtszunahme mit Ausbildung einer Adipositas, erkennbar an einer Zunahme des Fettgewebes am Körperstamm. Bei diesem Krankheitsbild kann die IPK die KPE maßgeblich unterstützen. Das Tragen von flachgestrickten Kompressionsstrümpfen und die Änderung des Lebensstils zur Einleitung einer anhaltenden Gewichtsreduktion sind Voraussetzungen für einen Langzeiterfolg.

Phleb-Lymphödeme: Bei dieser kombinierten Ödemkrankheit liegt keine zentrale Lymphabflussstörung vor, so dass der Einsatz der IPK die Häufigkeit der MLD deutlich reduzieren kann. Sie kann die MLD jedoch nicht ganz ersetzen.

Kontraindikationen der IPK
Die IPK darf nicht eingesetzt werden bei akuter Thrombose der Venen, bei Venenentzündungen oder akuten Erysipelinfektionen als häufigste Komplikation von Lymphödemen. Bei Erkrankungen des Herzes, der Niere, der Leber oder bei Lymphödemen als Folge einer Tumorerkrankung ist der Einsatz der IPK kritisch zu prüfen.

Die IPK darf nicht eingesetzt werden, wenn es bei der Behandlung zu anhaltenden Schmerzen kommt.

IPK als Heimtherapie
Die IPK kann die komplexe physikalische Entstauungstherapie bei den o.g. Krankheitsbildern maßgeblich unterstützen. Voraussetzung dafür ist; dass die durch die apparative Entstauung mobilisierte Gewebeflüssigkeit über das Lymphgefäßsystem vollständig abtransportiert werden kann. Ist das nicht der Fall, muss zusätzlich die MLD eingesetzt werden.

In lymphologischen Fachkliniken und in immer mehr Rehakliniken gehört die IPK zum therapeutischen Standard. In den letzten Jahren wird die IPK von behandelnden Ärzten zunehmend als Heimtherapiegeräte verordnet. Vorraussetzung für die Verordnung ist, dass die Ödempatienten z.B. im Rahmen einer Rehamaßnahme oder bei der Behandlung in Lymphdrainagepraxen oder in Arztpraxen in die Gerätetherapie eingewiesen werden und diese Therapie erstmals unter fachlicher Kontrolle eingesetzt wird und als erfolgreiche Therapie bestätigt werden kann.

Bei der Behandlung von Lymphödemen gehört zur Selbstbehandlung das eigenhändige Freimachen der zentralen Lymphabflusswege dazu, ergänzt durch Entstauungsübungen. Mehr hierzu unter Selbstbehandlung zur Verbesserung des Lymphabflusses.

Zusammenfassung
Patienten mit Lipödemen, Lymphödemen oder den o.g. kombinierten Ödemen können durch die IPK als Heimtherapie ihren Gesundheitszustand aktiv und nachhaltig verbessern und die zeitlichen und finanziellen Belastungen durch ambulante Anwendungen deutlich verringern. Dabei ist es wichtig, dass sie den Zustand ihres Ödems sorgfältig beobachten und auch Umfangsmessungen durchführen und die Befunde dokumentieren. Treten Veränderungen oder Beschwerden auf die ungewohnt sind oder auf eine Verschlechterung hindeuten, sollte unbedingt der behandelnde Arzt konsultiert werden. Unabhängig davon ist pro Quartal mindestens eine Begutachtung des Ödemzustandes durch den behandelnden Arzt erforderlich.

Dr. med. Katharina Rüger
Fachärztin für Innere Medizin
Leitende Ärztin St. Georg Klinik Höchenschwand
Therapieschwerpunkt Lymphologie

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